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Ein Erlebnisbericht unserer Freunde aus Sri Lanka

 

 

Lina und Ritchie sind alte Freunde von uns. Seit vielen Jahren leben sie wieder in Sri Lanka, der Heimat von Ritchie. In ihrem Dorf und darüber hinaus sind sie bekannt, weil sie vieles auf die Beine gestellt haben, um den Menschen in ihrer Umgebung auf oft ungewöhnliche Art und Weise und mit neuen Ideen zu helfen. Im Prinzip ist dies praktizierte Nächstenliebe. Die Nachbarschaft, die sich daraus ergeben hat, ist mit dem, was man bei uns unter Nachbarschaft versteht, überhaupt nicht zu vergleichen. Obwohl die Lebensbedingungen nicht annähernd westeuropäischen Standard erreichen, schwingen dort eine Freude und ein gegenseitiges Geben und Nehmen mit, die das Miteinander, wie es bei uns gelebt wird, weit in den Schatten stellen. Aus Nachbarn sind Freunde geworden. Ab und zu schickt Lina einen „Lagebericht“. Der letzte, bei dem es um Ritchies Unfall geht, zeigt recht deutlich, woran es bei uns mangelt, auch wenn unsere Versorgung – nicht nur auf medizinischem Gebiet – der in Sri Lanka und auch anderswo weit überlegen ist.

 

 

                                                 

                                                  

Am 4. Februar 2015, einem Nationalfeiertag in Sri Lanka, waren Wasana’a und Pathma’s Familien unsere Gäste.


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Thenuja, der jüngste Sohn von Wasana, wurde liebevoll von Buddhini und Lahiru herumgetragen. Außerdem fand der letzte Akt unserer Straßen-Schild-Geschichte statt.

Unsere Nachbarin Nayani hatte ihre Eltern besucht, die in der Nähe von Colombo wohnen. Ritchie hatte es übernommen, für ihren Hund Lucky zu sorgen. Gegen Abend, als alle Besucher wieder heimgekehrt waren, ging Ritchie zum Nachbargrundstück um Lucky loszubinden (tagsüber ist er angebunden).

Als Ritchie zurücklaufen wollte, krachte der Zementdeckel der Jauchegrube zusammen und fiel in die Grube, mit ihm Ritchie. Er muss ein ganzes Heer von Schutzengeln gehabt haben, denn ohne menschliche Hilfe kam er aus der Grube wieder heraus. Ich merkte es erst, als er rief: „Lina komm schnell!“ Er war von Kopf bis Fuß mit einer schwarzen Schlammschicht überzogen. Schuhe und Hörgerät waren in der Grube geblieben. Über und unter dem linken Auge hatte er einen Schnitt und eine große Wunde am Kopf. Wir brauchten enorm viel Wasser, um Ritchie zu säubern. Der schwarze Schlamm und das dauernd fliesende Blut ergaben eine dunkelrote Brühe.

In meiner Kindheit hatten wir in Deutschland auch Jauchegruben. Das waren Zementgruben, in denen alles von der Toilette gesammelt und einmal im Jahr auf die Felder gefahren wurde. Hier sind es einfach Gruben in der Erde mit einem Zementdeckel drauf. Alles Flüssige versickert, zurück bleibt ein schwarzer Schlamm, der aber nicht stinkt, zumindest nicht nach Fäkalien.

Als wir annähernd mit der Säuberung fertig waren, kam Pathma (Nachbarin) dazu. Sie bestellte sofort einen Three Wheeler (Dreiradtaxi). Mit dem fuhren wir ins Krankenhaus. Dort wurden die Wunden versorgt. Da die Wunde am Kopf ziemlich groß war, wurde Ritchie ins nächste, größere Krankenhaus nach Diyatalava überwiesen.

Inzwischen waren alle männlichen Nachbarn ins Krankenhaus gekommen. Als es darum ging, wer mit Ritchie geht, wollte ich das machen. Aber die Männer sagten, nur ein Mann darf bei einem Mann die Begleitperson sein. Nihal, Pathmas Ehemann, bot sich an mitzufahren. Er nahm Urlaub und blieb dann die ganze Zeit bei Ritchie. In der ersten Nacht war ein Bett neben Ritchie frei, da hat Nihal geschlafen. In der zweiten Nacht war das Bett belegt. Da schlief Nihal unter Ritchies Bett.

Ich war ja selber schon zweimal im Krankenhaus und weiß, dass für die Betreuungspersonen absolut nichts getan wird. Es ist ein totaler Liebesdienst, den die Verwandten - in unserem Falle die Nachbarn - übernehmen.

Dazu kommt noch, dass auch die Verpflegung des Kranken von den Angehörigen zu bestreiten ist. Als Nayani mit ihrer Familie von ihrer Reise zurückkam, fühlten sie sich so verantwortlich, dass sie dreimal am Tag Essen für ihn kochten und damit ins Krankenhaus fuhren. Da man bis nach Diyatalava ungefähr eine Stunde hin und eine Stunde zurück braucht, waren Nayani und ihr Mann Thanuja praktisch den ganzen Tag mit Ritchies Versorgung beschäftigt. Ritchie war einen Tag und zwei Nächte im Krankenhaus. An diesem einen Tag haben ihn alle Nachbarn und Freunde besucht. Ich war auch zweimal dort. Die Betten sind von ganzen Menschen-Trauben umstanden. Es gibt keine Privatsphäre. Die Säle, wo die Krankenbetten stehen, sind sehr groß. Ein deutsches Krankenhaus ist ein wunderschönes Hotel im Vergleich.

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Hier steht ein Teil unserer Nachbarn um Ritchies Bett. (Nihal, Nayani, Semini und Premasiri) 

Nun - Ritchies Kopf wurde geröntgt und die große Wunde genäht. Heute, am 6. Februar, hat ihn Thanuja, der ihm noch das Frühstück gebracht hatte, wieder nach Hause gefahren. Jetzt macht er gerade heißes Wasser für ein Bad. So was ist im Krankenhaus ja auch nicht möglich. Unter dem linken Auge ist es noch geschwollen. Die anderen Wunden sind versorgt und werden sicher gut heilen.

Wir sind sehr dankbar für die Anteilnahme der Nachbarn und Freunde und auch den unsichtbaren Helfern, dass die Sache so ausging. Es hätte unendlich viel schlimmer sein können.

 

Herzlich Lina