Morgenstern und andere: Ohne Ziel ist alles nichts
Dem chinesischen Philosophen Konfuzius (551 – 479 v. Chr.) wird das Wort zugeschrieben: „Der Weg ist das Ziel.“ Nach dem damaligen Erkenntnisstand war dies sicher eine wichtige Botschaft, basierte doch darauf das zentrale Thema seiner Lehre der menschlichen Ordnung. Als Ideal galt Konfuzius der „Edle“, ein moralisch einwandfreier Mensch, der sich in Harmonie mit dem Weltganzen befindet. Konfuzius sah das höchste menschliche Ziel darin, „ ... den Angelpunkt zu finden, der unser sittliches Wesen mit der allumfassenden Ordnung, der zentralen Harmonie vereint“. Eine Rückehr zum Ursprung, ein persönliches, individuelles Wiedervereintwerden mit der Quelle allen Lebens, einem liebenden Vater, kannten Konfuzius und die damalige Weltanschauung noch nicht.
Ein halbes Jahrtausend später verkündete Jesus von Nazareth, die inkarnierte Liebe Gottes, eine neue Botschaft: Daß der Mensch bzw. seine Seele sehr wohl ein Ziel hat, nämlich seine ursprüngliche Heimat, sein Vaterhaus. Damit wurde aus dem „Der Weg ist das Ziel“ ein „Mach‘ dich auf den Weg zu deinem Ziel.“
„Ephides“ hat dies u. a. in seinem Gedicht „Das Ziel ist alles, und der Weg ist nichts“ (siehe Lesenswertes „Ephides II ...“) festgehalten. Aber auch Christian Morgenstern und andere haben dazu etwas geschrieben:
- Wer vom Ziel nicht weiß
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- Wer vom Ziel nicht weiß,
- kann den Weg nicht haben,
- wird im selben Kreis
- all sein Leben traben;
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- kommt am Ende hin,
- wo er hergerückt,
- hat der Menge Sinn
- nur noch mehr zerstückt.
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- Wer vom Ziel nichts kennt,
- kann’s doch heut erfahren;
- wenn es ihn nur brennt
- nach dem Göttlich-Wahren;
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- wenn in Eitelkeit
- er nicht ganz versunken
- und vom Wein der Zeit
- nicht bis oben trunken.
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- Denn zu fragen ist
- nach den stillen Dingen,
- und zu wagen ist,
- will man Licht erringen;
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- wer nicht suchen kann,
- wie nur je ein Freier,
- bleibt im Trugesbann
- Es ziemt dem Wandrer, um sein Ziel zu wissen
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- Es ziemt dem Wandrer, um sein Ziel zu wissen
- und auch zu fragen nach dem rechten Weg;
- denn hat der Himmel seine Schleusen aufgerissen,
- ertrinkt im Regenrauschen Sicht wie Steg.
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- Will er nicht irre gehn, muß er vertrauen
- dem Rat des ersten, den er trifft und frägt,
- doch miß er prüfend ihn im innern Schauen,
- am Fühl’n der Richtung, das er in sich trägt.
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- So, Weltenwandrer, prüfend und vergleichend,
- nehmt alle Stimmen auf in euer Sinnen;
- naht Rat von außen, euch die Hände reichend,
- ergreift sie erst, tönt wider er von innen.
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siebenfacher Schleier.
Christian Morgenstern,1871 – 1914
„Ephides“ - Ein Dichter des Transzendenten, Bürger-Verlag, Hardthausen
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- Dann geh nach innen – und schon bist du da
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- Dein rastlos Herz sucht Gott – und das seit Jahren.
- In vielen Kirchen schautest du dich um.
- Die halbe Welt hast du dabei befahren.
- Kein Gott zu finden? Fremd bleibt Er und stumm?
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- Du meintest, jede Lehre sei zu prüfen.
- Sie alle mahnten: Tue dies, tu’ das.
- Du eiltest, jedes Wissen zu vertiefen.
- Auf welche Richtung ist denn nun Verlaß?
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- Mein Freund, du bist so oft und weit gegangen.
- Du suchtest fern, dabei war Er so nah.
- Nun höre: Willst du an dein Ziel gelangen,
- dann geh’ nach innen – und schon bist du da.
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Hans Dienstknecht, „Verlasse dich auf deines Herzens leisen Klang“